Bereits mit der Scheuermilch eingesogene Musik
Thorsten Propeller: Nonstop Scheuerpop! (MC, 2000)
Bestellung über Thorsten Propeller

Er betrachtet es nicht als neues Album, sondern nur als Scheuerpop-Tape. Das ist es zweifellos - doch was Thorsten Propeller in seiner Bescheidenheit mit "nur" bezeichnet, sind 19 Stücke, darunter etliche Interpretationen von Punk-Klassikern, die der Erfinder des Scheuerpops auch live immer wieder spielt: Something to Believe In, White Man In Hammersmith Palais, You Can't Put Your Arms Around A Memory. (Nein, Blitzkrieg Bop ist nicht dabei.)
Nun ist es ja mit diesen "Punk-Klassikern" so eine Sache: den meisten Bands, die sich als Punkbands verstehen und bezeichnen, geraten solche Songs ja oft zu einer Art Traditionspflege: man trägt halt, um an eine idealisierte Vergangenheit anzuknüpfen, die typischen Klamotten, spielt die typische Musik und ist damit einem Trachtenverein nicht unähnlich. Auf diesem Tape funktioniert das ganz anders: das Zusammenspiel der Coverversionen mit Thorsten Propellers eigenen Songs - mit ihren oft abrupten Wechseln von melancholischer Atmosphärik zu aggressiven Riffs - macht deutlich, dass hier nicht nachgespielt wird, um etwas Altes um seiner selbst willen hochzuhalten, sondern weil derjenige, der da singt und spielt, alle diese Songs als Teil seines eigenen Lebens, als Gegenwart lebt. Die Wut, die Trauer und der Spaß in den "fremden" Songs sind dieselben wie in den "eigenen" - was vielleicht an dem uns allen bekannten Phänomen liegen dürfte, dass ein Song, den man hört, die eigene Stimmung so genau auf den Punkt bringt, dass er fortan unverzichtbarer Lebensbestandteil wird. Wobei es natürlich durchaus immer sein kann, dass ein "fremder" Song nicht nur, quasi zufällig, die Stimmung "ausdrückt", sondern diese vielleicht erst hervorruft - so "eigens" ist diese also u.U. gar nicht: die Identität ist eine Plattensammlung.
Individuell wird sie dadurch, dass man sie sich am alltäglichen Erleben reiben (und dabei abscheuern) lässt und in diesem Prozess neue Musik (er)findet. Diesen Scheuer-Effekt zuzulassen, darin besteht der Unterschied zwischen rückwärtsgewandter Klassiker-Verehrung à la Punk-Trachtenverein und vorwärtsgewandter Klassiker-Verwertung à la Scheuerpop. So lässt sich diese Kassette als programmatische "The Making of"-Dokumentation zu Thorsten Propellers aktuellem Album No Name Scheuermilch sehen. Vielleicht ist das der Grund, warum Käufer der CD das Tape kostenlos dazu bekommen.

gebrauchtemusik

[Zurück zur Übersicht]