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Punk-Graffito, Augsburg ca. 1978 (Foto: Mathias Huber)Es muß 1978 gewesen sein, und ich war in der zweiten Klasse. Ich stand auf die Beatlesplatten meines Vaters. Im Jahr zuvor war Elvis gestorben und ein Mitschüler hatte sich aus diesem Anlaß als großer Fan geoutet. Die Klasslehrerin hielt nichts von sowas. Sie war eine alte Jungfer, eine deutschstämmige Rumänin, und ließ uns im Sportunterricht Volkstänze einstudieren. Wie könne man sich nur jemand zum Vorbild nehmen, der sein Leben lang nichts anders getan habe als fressen, meinte sie.


Plötzlich war es da, auf dem Schaltkasten der Ampelanlage vor der Schule, und ich hatte keine Ahnung, was das heißen sollte. "Das hat mein Bruder gemacht.", erzählte ein Klassenkamerad. "Das ist was Neues und kommt aus England. Mein Bruder steht total drauf."


Ich verließ später die Schule, um aufs Gymnasium zu wechseln. Dort tauchten irgendwann Sprüche auf wie "Ich kaufe mir ein Motorboot und fahre alle Popper tot." In unserem Wohnzimmer gab es nun Platten von Extrabreit, Abwärts und DAF. Als ich in den Konfirmandenunterricht ging, lief auf dem alten Plattenspieler, den mir mein Vater überlassen hatte meistens FSK und lila sterila.


Das alles wird immer länger her, und ich verliere Haare. Das Kalenderblatt im Bayerischen Rundfunk gedenkt der Veröffentlichung von Never Mind the Bollocks und das Cover steht im Victoria & Albert Museum. Immer wenn ich meine Eltern besuche und mit dem Bus an meiner alten Grundschule vorbeifahre, schaue ich nach dem Schaltkasten. Und es ist immer noch da. Gut. Die Familie des großen Bruders kam übrigens auch aus Rumänien.

Mathias Huber
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